Zum Wesentlichen vordringen – Teil II
Vom Anwendernutzen des Christentums
Religion heißt Rückbindung an ein Prinzip, das unserem rationalen Denken und Forschen entzogen ist. Die meisten Religionen nennen dieses Prinzip Gott. Viele Religionen fassen Gott personal auf, andere wieder eher als Urgrund oder Prinzip des Lebens. Die Existenz Gottes kann trotz aller Versuche von sogenannten Gottesbeweisen schlüssig nicht bewiesen werden, seine Nichtexistenz aber genauso wenig. Deshalb sprechen wir vom Glauben.
Was aber sicher beobachtet werden kann, ist die Wirksamkeit dieses Glaubens. Der Glaube an Gott bestimmt in vielfältiger Weise das Leben der Menschen, auch derjenigen, die dezidiert nicht an ihn glauben wollen. Alle Religionen sind bestimmt durch ihre Mythen, in denen die Geburt der Gottheiten, die Entstehung und das Ende der Welt und die Gesetzlichkeiten des menschlichen Zusammenlebens erzählt werden. Das Christentum hat seine Narrative vom Judentum übernommen und als neuen Mythos die Erzählung von der Menschwerdung Gottes in der historischen Person des Jesus von Nazareth hinzugefügt.
Der zeitgenössische italienische Philosoph Gianni Vattimo, der sich als Katholiken und Atheisten versteht, meint, dass darin das Revolutionäre des Christentums liegt. In der Erniedrigung Gottes durch seine Selbstentäußerung (griechisch: kenosis), die ihren Tiefpunkt im Kreuzestod Jesu findet, spiegelt sich die Ohnmacht des christlichen Gottes wider. Damit kann man den Widerspruch zwischen der bisher konstatierten Allmacht des philosophischen und alttestamentlichen Gottes und der Kontingenz des Lebens mit seinem Leiden und Bösen auflösen. Gott selbst unterwirft sich dem letzten Rätsel des Lebens, dem Tod. Das Scheitern selbst Gottes gehört zum Leben – das sei die Botschaft dieser „schwachen“ Theologie. Zusammen mit der zweiten Säule des Christentums, dem Gebot der Nächstenliebe, das sich in unsere moderne Gesetzgebung hineinsäkularisiert habe, weist es den Weg in die Zukunft.
Kirche als Institution wird immer schwächer werden, weil sie ihre Aufgabe erfüllt habe, das Bild vom ohnmächtig liebenden Gott, der diese Liebe allen anderen beispielhaft vorgelebt hat, in dieser Welt zu verankern. Darin liegt für mich der Anwendernutzen des Christentums begründet. Wie es angeblich die erfolgreichsten amerikanischen Unternehmensgründer als unbewusste gemeinsame Formel für ihren Erfolg gelebt haben:
You have to love people.
Auf Deutsch, die vier M’s: Man muss Menschen mögen. Das Erfolgsrezept für eine glückende Lebensbalance.
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Vor dem Hintergrund seiner eigenen Biografie als Benediktiner-Mönch, Leiter der Wirtschaftsbetriebe von Kloster Andechs und heute Buchautor, Führungskräfte Coach und Berater setzt sich Anselm Bilgri in seinen Vorträgen und Beratungsprojekten intensiv mit den Themen Unternehmenskultur, Herzensbildung sowie der Wertorientierung und Werte im Wandel auseinander.