Die Zeit für die Utopie ist reif – Ein Plädoayer für das bedingungslose Grundeinkommen
„Ein Gespenst geht um in der Welt – das Gespenst des bedingungslosen Grundeinkommens.“ So könnte man mit den Anfangsworten des Kommunistischen Manifests von Karl Marx und Engels die Idee charakterisieren, die seit einiger Zeit viele Gemüter bewegt: was um Himmels Willen machen die Menschen, wenn man Ihnen Geld gibt für nichts? Faulenzen, rumhängen, chillen?
Bisher war das bedingungslose Grundeinkommen eine Art Sozialutopie, die schon in der Schrift „Utopia“ des Humanisten und englischen Lordkanzlers aus dem 16. Jh. Thomas Morus grundgelegt wurde. Im 19. Jh. kamen dann die Frühsozialisten darauf zurück. In unserer Zeit ist in der Schweiz sogar eine Volksabstimmung darüber durchgeführt worden, die zwar mehrheitlich abgelehnt wurde, aber doch über 20% Befürworter hatte. Das Magazin Neon sieht die Zeit für diese Utopie jetzt gekommen, und Finnland testet das Grundeinkommen bereits, wie die FAZ beschreibt.
In Deutschland macht sich dafür besonders der Gründer der Drogeriekette dm Götz Werner stark.
Im Herbst 2016 gründete sich das Bündnis Grundeinkommen (BGE) – Die Grundeinkommenspartei, die nur von diesem einem Thema getrieben wird,. Was ist das Ziel dieser Bewegung? Jeder Bürger soll von seiner Geburt an eine bestimmte monatliche Summe (die Bandbreite geht von 500 – 1500 €) bekommen, die an keine Bedingung wie etwa persönliche Bedürftigkeit geknüpft ist. Dieses Grundeinkommen, oft auch Bürgergeld genannt, soll Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Rente, Ausbildungsförderung, Kindergeld u.ä. ersetzen. Es ist eben nur ein Grundeinkommen, das aber die Aufgabe hat, die Menschen vom Arbeitszwang zu befreien und ihnen die Möglichkeit gibt, freiwillig ein Arbeitsverhältnis einzugehen.
Darin macht sich freilich auch die Kritik fest: Der Anreiz zur Eigenleistung ginge eher verloren als dass er angekurbelt würde. Weiter: sollte wirklich ein Milliardär das gleiche Grundeinkommen erhalten wie ein Bedürftiger? Was die Finanzierung betrifft, geht Götz Werner einen interessanten Weg: Erstens fallen die bisherigen Transferleistungen und die Kosten für ihre Verwaltung weg. Zweitens will er die Einkommenssteuer und alle anderen Steuerarten durch eine Konsumsteuer ersetzen, die sogar je nach Art des Konsumguts variieren könnte.
Ich muss zugeben, mich fasziniert dies Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Rufen wir nicht schon seit Jahren nach einer großen Reform unseres Steuer- bzw. Sozial-Systems? Der Staat und seine Bürokratie hat die Tendenz sich selbst immer mehr aufzublähen. Organisationen verwalten oft mehr sich selbst als dass sie den Bürgern dienen. Mit dem Grundeinkommen und einem radikal vereinfachten Steuersystem könnten wir eine Art Reset der staatlichen Verwaltung durchführen.
Ist das bedingungslose Grundeinkommen die Lösung für die Digitalisierung?
Wirtschaftsvertreter und konservative Publizisten malen den Teufel an die Wand. Ich bin da wie der junge Sascha Nicke von der Universität Potsdam anderer Ansicht und sehe im bedingungslosen Grundeinkommen sogar eine enorme Chance: es könnte die Lösung für das Effektivitätsproblem sein: dass nämlich Menschen in Betrieben von Jahr zu Jahr mehr produzieren, bei gleichem Arbeitseinsatz. Das bedeutet dann zwangsläufig, dass wir immer mehr kaufen und konsumieren müssen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten – oder weniger arbeiten. Hinzu kommen die Veränderungen aufgrund der zunehmenden Digitalisierung: wo Maschinen menschliche Arbeit ersetzen oder sogar besser leisten können, werden sie in exponentieller Geschwindigkeit eingesetzt werden. Damit wird andere aber sicher weniger menschliche Arbeit benötigt werden.
Da Volkswirtschaften aber im Wettbewerb zueinander stehen, werden die Löhne nicht entsprechend steigen können, um die sinkende Arbeitszeit auszugleichen. Das Grundeinkommen, das zudem aus einer Art Maschinensteuer oder einer Finanztransaktionssteuer gespeist werden könnte, wäre ein möglicher Ausgleich. Die Vorstände großer Technologie Konzerne wie Siemens Chef Joe Kaeser beschäftigt diese Entwicklung bereits, die Zahl der Unterstützer wächst, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt.
Was aber tun die Menschen ohne oder mit weniger Arbeit?
Die freiwerdende Zeit muss sinnvoll verbracht werden, will man soziale Verwerfungen vermeiden. Mehr Zeit für Beziehungen, mehr soziales Engagement, mehr Muße, mehr Theaterbesuche, mehr Bildung und Kultur. Genau
diese Vorstellung hatte schon Thomas Morus. Vielleicht wird aus seiner Utopie einfach durch den Zwang des technischen Fortschritts eines Tages Realität.
Text: Anselm Bilgri, Redaktion Gerd Henghuber