Anselm Bilgri im Unternehmen

Impulsgeber für Herzensangelegenheiten
Die Gründer des Münchner Impact HUBs verstehen sich gleichermaßen als Unternehmer wie als soziale Akteure.

Unternehmerische Lösungen für gesellschaftliche Aufgaben entwickeln. Einen inspirierenden Raum schaffen und Menschen mit den gleichen Zielen und Werten versammeln. Zukunft experimentieren. Das will der Impact HUB München. Er ist gleichzeitig Coworking Space, Startup-Plattform und Inkubator für Social Entrepreneurship. Das Netzwerk hat inzwischen über 90 Standorte weltweit mit gut 15 000 Mitglieder. Anselm Bilgri hat mit Johann Schorr, einem der beiden Gründer, über gelebte Werte-Orientierung gesprochen.

Anselm Bilgri: Was genau macht ein Impact HUB?

Johann Schorr: Wir verstehen uns als Rahmen- und Impulsgeber für Menschen, die wieder mehr das tun, was sie wirklich tun wollen. Menschen, die ihre Herzensangelegenheit zum Beruf machen, um die Welt ein Stück weiter zu bringen. Dafür bieten wir ihnen einen Rahmen in Form von Infrastruktur, Impulsen durch diverse Veranstaltungen, Methoden und Prozesse, bis hin zu Start-up-Förderungen und Knowhow-Transfer in etablierte Unternehmen. Inhaltlich wollen wir dabei auch Kante zeigen: Unsere beiden zentralen Punkte sind: enkeltaugliches Wirtschaften und kooperatives Arbeiten. Wir wollen die impuls- und rahmengebenden Strukturen weiter aufbauen und zwar unabhängig von irgendwelchen Fremdgeldern.

 

AB: Unternehmertum und Wertorientierung bedingen also einander?

Johann Schorr: Ich verstehe Werteorientierung in erster Linie als Orientierung an einer Grundhaltung, aus der heraus ich Unternehmertum denke. Wir werden viele gesellschaftliche Probleme nur lösen, wenn wir auch unternehmerisch an sie herangehen. Zum anderen wird meine Generation im Wirtschafts- und Berufsleben mit zahlreichen Verteilungsschwierigkeiten und veralteten Rahmenbedingungen konfrontiert. Dem wollen wir ganz bewusst begegnen. Daher sind für uns Werte wie Vielfalt, Offenheit, Transparenz und auch Fairness die Grundlage unternehmerischen Handelns.

Vom Ich zum Wir von „Arbeit für Geld“ zu „Arbeiten für Andere“.

 

AB: Was meinen Sie mit „veralteten Rahmenbedingungen“?

Wenn man sieht, dass heute fast 70% der Arbeitnehmer sich nicht richtig mit dem identifizieren können, was sie täglich tun – also in was sie ihre Lebensarbeitsenergie stecken, dann kann etwas grundlegend nicht stimmen. Wir müssen davon weg kommen für Geld arbeiten zu gehen und ich beobachte, dass vor allem die gesetzten Rahmenbedingungen durch unsere derzeitigen gesetzlichen- also gesellschaftlichen Absprachen genau diese Art Wirtschaft zu denken maximal bevorzugt. Wenn es uns durch das erlebbar machen von Alternativen gelingt die Rahmenbedingungen zu verändern, hin zu enkeltauglichem Wirtschaften und kooperativen Arbeiten, sind wir einen Schritt weiter. Vom Ich zum Wir von „Arbeit für Geld“ zu „Arbeiten für Andere“.
AB: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Impact HUB zu gründen?

J: Wir sind der Überzeugung, dass unsere Welt unternehmerische Lösungen braucht, die einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Und wir glauben, dass wir das nur schaffen, wenn wir uns zusammentun. Wenn wir Menschen um uns haben, die uns inspirieren und gleichgerichtete Ziele haben. Wer es ernst meint, muss konkret werden, gestalten. Das war schon immer unser Gefühl: Joscha hat nach seinem Bachelor an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen bei Telefonica im Big Think Programm gearbeitet und dort viele Jugendprojekte betreut. Ich bin Waldorfschüler und habe dann Design studiert. Ich wollte an einer Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis arbeiten, an der Zukunft gestaltet wird. Im Studium habe ich diese Schnittstelle nicht gefunden. Aus dieser Enttäuschung heraus habe ich mit einem Freund einen etwas radikaleren Vorschlag für das, was wir unter Design verstehen wollten, verfasst. Daraus ist dann die Erkenntnis gewachsen, dass das, was ich suche, etwas mit Social Entrepreneurship zu tun hat. Ich war einige Zeit in Indien und sah dort bei den vielen Gründern, die unter schwierigsten Bedingungen gestartet sind, was verantwortungsvolles Gestalten bedeutet. Das hat mich bewogen, mich mit dem Thema Wirtschaften und Unternehmertum zu beschäftigen. Nach ein paar selbständigen Arbeiten in verschiedenen Projekten haben Joscha und ich uns gesagt: okay, lass uns den HUB für München machen.

Unsere gemeinsamen Werte für unser Unternehmung sind: Vielfalt, Offenheit, Respekt und Mut.

 

AB: Das Thema Wertorientierung stand für Sie also vor der Gründung des HUBs, nicht anders herum?

J: Genau, über dieses Thema haben Joscha und ich uns kennengelernt. Übrigens erst ein paar Monate vor Gründung des HUB. Jeder von uns hatte sich viel mit alternativen Wirtschaftsformen beschäftigt. Social Business, Social Entrepreneurship, der Ehrbare Kaufmann und die Gemeinwohlökonomie das sind die Stichworte dazu. Wir haben von Anfang an unsere gemeinsamen Werte für unser Unternehmen definiert: Vielfalt, Offenheit, Respekt und Mut. Der Kernsatz, der uns leitet, heißt. „enable people to do good. “ Wir versuchen, uns vor jeder Entscheidung neu darauf zurück zu besinnen.

 

AB: Der Münchner HUB ist eingebunden in ein weltweites Netzwerk. Was ist das Verbindende zwischen den verschiedenen Standorten?

J: Das HUB-Netzwerk ist so etwas wie ein Social Franchise-System. Es gibt mittlerweile über 90 Standorte weltweit. Mit mehr als 15 000 Members, so nennen wir unsere Kunden. Für den Markennamen gibt es eine bestimmte Umsatzabgabe, damit werden gemeinsam definierte Dinge auf globaler Ebene entwickelt und umgesetzt. Das verbindende Element ist neben der sozialen Wertorientierung und dem Prinzip des kooperativen kreativen Arbeitens ein globaler Verein, in dem jeder HUB-Betreiber eine Stimme hat. Dieser Verein lenkt eine GmbH, die sich etwa um IT-Themen wie ein gemeinsames Websitetemplate und Partnerschaften kümmert. Wir treffen uns einmal im Jahr für ein paar Tage, tauschen Best Practice Beispiele aus und entwickeln unsere „Theory of change“ immer weiter. Uns alle treibt die Frage um, wie können wir mit unserem Netzwerk beitragen zu einer wirklichen Veränderung auf der Welt, einer Zukunft, die unseren Enkeln dient, und wie können wir das mit gemeinwohlorientiertem Entrepreneurship erreichen.

 

AB: Wie wird diese gemeinsame Idee heruntergebrochen auf die einzelnen Standorte?

J:. Wir haben an jedem HUB-Standort ein Unternehmerteam, das die übergeordneten Standards reflektiert, bei der Umsetzung aber sehr viel Freiraum hat. Zum Beispiel gibt es HUBs in unterschiedlichsten Rechtsformen. Die HUBs stellen sich auch inhaltlich verschieden dar, je nachdem welche Schwerpunkte sie definieren. Überall gibt es aber einen Raum und eine Community. Die einen legen mehr Gewicht auf alternatives Wirtschaften andere auf kooperatives Arbeiten, also neue Arbeitsformen. Es gibt auch sehr verschiedene Größenordnungen von 150 bis zu 5000 Quadratmetern Fläche. Das alles klingt sehr unterschiedlich, aber gleichzeitig sind die gelebten Werte überall dieselben.

 

AB: Wie viele Mitarbeiter arbeiten derzeit für den Impact HUB in München?

J: Wir sind in unserem Team im Moment 14 Menschen. Die Community, das sind 200 bis 250 Members, die hierher zum Arbeiten kommen und viele Schnittstellen entdecken.

 

AB: Wer kümmert sich im HUB darum, dass die Werte auch transparent sind und tatsächlich gelebt werden?

J: Das sind sicher zunächst der Joscha und ich, die das Thema kontinuierlich auf den Tisch bringen. Doch letztendlich leben wir alle gemeinsam die Werte, die uns wichtig sind: die Mitarbeiter und die Members. Viele Hinweise kommen aus der Community. Dadurch verbinden die Werte grundsätzlich alle im HUB. Zum Ausdruck bringen wir unsere Werteorientierung durch die Erstellung einer Gemeinwohlbilanz, die dafür ein schönes Werkzeug ist.

 

Unsere Mission ist: „enabling people to do good“.

 

AB: Wie leben Sie die Werteorientierung im Alltag des HUBs?

J: Wir versuchen, als Team zu leben, dass Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht nicht etwas Besonderes, sondern eine Selbstverständlichkeit ist. Ich habe das Gefühl, dass diese Einstellung sich bei denen, die neu hinzu kommen schnell von einem auf den anderen überträgt. Aber es sollte auch die Freiheit herrschen, dass jeder so denken und handeln kann, wie er es versteht. Sollten Dinge passieren, die unseren Werten entgegenstehen, sprechen, wir das direkt an und versuchen präzise Rückmeldung zu geben. Im letzten gilt auch im internen Bereich: „enabling people to do good“.

 

AB: Gab es schon mal Probleme, dass Sie sich von jemanden trennen mussten?

J: Verschiedene Menschen haben verschieden Zugänge zu Werten. Es gibt Menschen, die finden unsere Herangehensweise spannend und andere, die keinen Anschluss dazu finden. Solche Situationen gab es auch schon bei uns. Bei einer klaren Ausrichtung an seinen Werten findet man schnell heraus, wer zu einem passt oder nicht. Das muss man dann auch klar kommunizieren.

 

AB: Dass Werteorientierung im HUB das Fundament des Unternehmens ist, ist eigentlich offensichtlich.. Dann sollten eigentlich nur Mitarbeiter zu Ihnen kommen, die passen, oder?

J: Wer sich für uns interessiert, erlebt recht schnell, was uns ausmacht. Wir versuchen die Themen Werte und Nachhaltigkeit schon äußerlich zu vermitteln, wenn man zum Beispiel sieht, dass unsere Räume mit Lehm und Holz gebaut sind. Das weckt einen schon beim ersten hereinkommen auf. Wem das nicht gefällt, der wird sich hier nicht wohlfühlen und arbeiten wollen. Aus den Rückmeldungen der Mitarbeiter sehen wir, dass unsere Werteorientierung das tragende Element darstellt. Andererseits wissen wir, dass viele Aspekte des HUBs erst mit der Zeit sichtbar und erlebbar werden für den Einzelnen. Selbst mir geht es so, dass ich den HUB in all seinen Funktionen und Wirkungen noch nicht zur Gänze verstanden habe. Oft laufen Dinge anders als anfangs gedacht. Man erkennt den roten Faden erst im Nachhinein, was sehr viel mit unseren Wertvorstellungen zu tun hat: der Prozess ist das eigentlich Spannende.

Das Verhältnis zwischen Ökonomie und Werteorientierung muss ständig ausbalanciert werden.

 

AB: Als Unternehmen müssen Sie Gewinn erwirtschaften. Wie verhalten sich Werteorientierung und ökonomischer Erfolg zueinander?

J: Für mich ist es überhaupt kein Widerspruch, dass ein soziales Unternehmen auch erfolgreich wirtschaften kann. Die Frage ist doch: Wie misst man Erfolg? Es gilt das Verhältnis zwischen Ökonomie und Werteorientierung ständig auszubalancieren. Wir laufen tendentiell eher Gefahr, zu viel für Engagement- auszugeben. Doch der Impact HUB hat ein Modell gefunden, bei dem das, was erwirtschaftet wird, auf alle die aktiv daran beteiligt waren, verteilt wird. Per Satzung ist es nicht möglich, dass ein Gesellschafter, mehr als das, was er als Startkapital eingebracht hat, wieder herausbekommt. Also ist Spekulation ausgeschlossen. Kleine Gewinne sind das Ziel für eine stabile Unternehmung. Das Geld, das erwirtschaftet wird, steht all denen zur Verfügung, die dafür aktiv arbeiten, den Mitarbeitern, der Geschäftsführung in verschiedener Höhe, aber transparent geregelt. Jeder soll nach Möglichkeit das Auskommen haben, was er braucht, um glücklich zu leben.

 

Dass wir uns mit den Werten so intensiv beschäftigt haben, ist das beste Investment, das wir machen konnten.

 

AB: Hatten Sie seit der Gründung auch schon mal kritische Situationen und wie haben Ihnen da die Unternehmenswerte geholfen?

J: Ja schon gleich am Anfang war es kritisch. Bevor wir die Immobilie gefunden haben, hatten wir eine Community aufgebaut. Von diesen hundert Menschen sind damals nur wenige mit in die Räumlichkeiten eingezogen. Aus ganz verschiedenen Gründen, für uns auf jeden Fall sehr überraschend. Und ja, gerade die Werte haben uns über diese Krise am Start geholfen. Unser Wertegerüst war klar, und das wollten wir verwirklichen. Das war uns wichtiger, als gleich Geld zu verdienen. In schwierigen Momenten ist man ja immer versucht, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Die Klarheit, die man durch Werte ausdrücken kann, hilft einem in den Momenten sich selbst und der Sache gegenüber unbestechlich zu bleiben. Dass wir uns mit den Werten so intensiv beschäftigt haben, ist das beste Investment, das wir machen konnten.

Interview: Anselm Bilgri, Redaktion: Markus Achter, Gerd Henghuber

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